Was ist „Reittherapie“?
Der Umgang mit Pferden kann nicht nur ein Sport und Hobby darstellen, er kann auch therapeutisch genutzt werden. So kann er zur Wiederherstellung sowie zur Förderung von körperlichem und psychischem Wohlbefinden beitragen.
Bei der Reittherapie handelt es sich nicht primär um eine sportliche Freizeitgestaltung, vielmehr steht der heilende und wohltuende Effekt des Pferdes auf den Menschen im Fokus. Der Mittelpunkt der therapeutischen Arbeit ist die Interaktion und der Beziehungsaufbau zwischen Mensch und Pferd: Hierbei wird jegliche Aktivität rund ums und auf dem Pferd therapeutisch genutzt. Je nach zugrunde liegendem Förderbedarf bekommen einzelnen Tätigkeiten mehr Gewicht. Jedoch können die Übergänge zwischen dem therapeutischen Reiten und dem „klassischen“ Reitunterricht fließend sein.
Was ist das Anliegen der Reittherapie?
In der Reittherapie wird der Menschen ganzheitlich mit seinen emotionalen, kognitiven, motorischen sowie sozialen Bereichen wahrgenommen.
(bio-psycho-soziale Menschenbild):
- Auf der Ebene des Körpers können vielfältige motorische Behandlungsziele angestrebt werden, unter anderem: Normalisierung des Muskeltonus, Förderung von Kondition, Leistungsfähigkeit und Ausdauer, Hemmung pathologischer Bewegungsmuster, Anbahnung normaler Stell-, Stütz- und Gleichgewichtsreaktionen, sowie Stimulierung der Rumpfkontrolle mit Aufrichtung, Symmetrie und Gleichgewicht durch die Anpassung an die Schwingungen des Pferdes.
- Auf der Ebene der Psyche können unter anderem Motivation und Antrieb gesteigert werden. Auch der Aufbau eines positiven Selbstkonzeptes und die Stärkung des Verantwortungsbewusstseins wird unterstützt. Darüber hinaus kann es zu einer Linderung von Gefühlen der Einsamkeit kommen.
- Auf der Ebene des Sozialen können die sozialen Kompetenzen und der Beziehungsaufbau durch die Reittherapie positiv beeinflusst werden. Zum einen wird Pferden eine Art „Eisbrecher-Funktion“ zugeschrieben, die das Zugehen auf andere Menschen durch ein geteiltes Interesse erleichtert. Zum anderen können aber auch wichtige Kommunikationsfähigkeiten gestärkt werden. Insbesondere die des non-verbalen Bereichs, da Pferde unsere Körpersprache sensibel wahrnehmen und auf diese reagieren.
Außerdem wird in der Reittherapie ressourcenorientiert vorgegangen, die Stärken und gesunden Seiten des/ der Klient*innen werden in den Vordergrund gerückt und verstärkt, Bewältigungsstrategien werden aktiviert.
Bei vielen kleinen und großen Menschen mit ihren individuellen Förderbedarfen stellt sich nach zahlreichen Arztbesuchen, Gesprächen etc. eine Art „Therapiemüdigkeit“ ein. Hier kann die Reittherapie dazu anregen „zu neuen Ufern aufzubrechen“: Über die Zusammenarbeit mit einem so großen und starken, gleichzeitig aber auch sanftmütigem Tier schöpfen viele Menschen neue Motivation und Vertrauen, sodass die Reittherapie oft da ansetzen kann, wo herkömmliche Therapiemethoden keine Wirkung mehr zeigen. Wichtig zu sagen ist, dass Reittherapie immer nur ein Baustein einer multimodalen (mehrgliedrigen) Therapie sein kann und keinesfalls ein Ersatz für beispielsweise eine Psycho- oder Physio- Therapie darstellt.
Für wen ist die Reittherapie geeignet?
Die Zielgruppe der Reittherapie sind Menschen jeden Alters, mit psychischen und/oder physischen Besonderheiten, darunter:
- Lernbehinderungen und Geistige Behinderungen (z.B. Down-Syndrom)
- Psychische Störungen und Problemlagen (u.a. Angststörungen, Zwangsstörungen, Depressionen, Ess-Störungen, Überlastung/“Burn-Out“, ADS/ ADHS, Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen)
- Psychomotorische Entwicklungsstörungen
- Sprachstörungen (z.B. Mutismus)
- Körperliche Behinderungen (z.B. neurologische Störungen wie infantile Zerebralparese, gut eingestellte Epilepsie, Apoplexie)
- Orthopädische Erkrankungen
Auch kann Reittherapie Menschen in aktuellen Lebenskrisen unterstützen und hilfreich sein …
- bei der Stärkung des Selbstvertrauens, des Selbstwertgefühls und des Selbstbewusstseins
- bei der Verbesserung von Grob- und Feinmotorik, Koordination
- bei der Verbesserung der Körperhaltung und Körperwahrnehmung
- bei der Verarbeitung von Verlusten
- bei der Entspannung und Ablenkung vom Alltag
- bei der Wiedererlangung von Vertrauen nach Reitunfällen
Warum die Reittherapie aus meiner Sicht wichtig ist:
„Reittherapie ist mir ein persönliches Anliegen, weil ich der Überzeugung bin, dass Pferde einige Gaben haben, die aus therapeutischer Sicht einen ganz neuen Zugang zu den unterschiedlichsten Problemlagen schaffen können. Pferde treten dem Menschen vollkommen wertfrei und ohne jegliches Vorurteil aufgrund körperlicher oder psychischer Besonderheiten entgegen. Diese bedingungslose Akzeptanz, welche von Mitmenschen bei Abweichungen von der Norm oft nicht entgegengebracht wird, kann die Akzeptanz und den Umgang mit eigenen Herausforderungen erleichtern. Außerdem nehmen Pferde unsere Stimmungen sensibel wahr und reagieren teilweise darauf – halten uns also in gewissermaßen „einen Spiegel vor“, was zum kontinuierlichen Dazulernen und zur Selbstreflexion anregt.“
Lea "Ausgebildete igogo Reittherapeutin"